Wieso Werbung gut ist

um Zeit zu gewinnen.) Ich hatte an einer Kampagne für Diätlimonade gearbeitet. Mein Minderwertigkeitskomplex, der bis dahin still in mir geschlummert hatte, explodierte wie eine Drosophilakultur. Ich konnte kaum noch essen vor Minderwertigkeit. Wie sollte ich diesen tollen Mann bloß beeindrucken? Was musste ich sagen, damit er mich ernst nimmt? Und so passierte es. Als er mich fragte, warum ich Werbung mache, ließ ich mich hinreißen. Ich griff in besagte Handtasche und hielt einen Vortrag darüber, wieso Werbung gut ist. So behände, wie es der Wein noch zuließ, hangelte ich mich an Ogilvys Five Reasons Why Advertising is Good For Us entlang und schon mit dem ersten Reason (It raises the standard of the population, wenn ich mich recht entsinne)

schwang ich mich zu Rainer Theresa auf Augenhöhe. Hepp! Ein tolles Gefühl. Ich mischte natürlich auch kleine Späße in meinen Vortrag. Zum Beispiel, dass wir dank Werbung  auf die Toilette und zum Kühlschrank gehen können, ohne etwas vom Film zu verpassen (HAR), und dass wir ihr überhaupt die wunderbarsten Fernsehserien verdanken. Mad Men gab es damals noch nicht, aber ich erwähnte „Thirtysomething – Die besten Jahre“ und dass ich wegen dieser Serie beschlossen hätte, meine Tochter Hope zu nennen. Meinen Sohn auch.) Ich war gut. Ich sprühte geradezu. Ich musste ja nur ins Handtäschchen greifen, um aus dem Vollen zu schöpfen. Und plötzlich kippte mein Gegenüber leicht nach vorn. Er war eingeschlafen.

Wir heirateten nicht.

 

 

 

Viele Jahre lang ging mir diese Geschichte nicht aus dem Kopf. Immer wieder malte ich mir aus, wie ich mich besser verhalten hätte. Ich hätte einfach mit bezauberndem Lächeln sagen sollen, dass ich Werbung mache, weil es mich glücklich macht, Punkt. Um ihn dann zu bitten, mehr von sich zu erzählen, seiner spannenden, wichtigen Arbeit. So gewinnt man das Herz eines Mannes! Heute weiß ich das. Damals war ich wohl zu jung oder zu voll – wie waren wir drauf gekommen?

 

Ach so ja, wegen der Frage, wieso Werbung gut ist. Machen Sie sich bloß nicht zu viele Gedanken darüber …